20. Oktober 2018

Honorar oder Almosen?

Angesehene Berufsgruppen z. B. der Rechtsanwälte, Notare oder Steuerberater haben gesetzlich festgelegte Tarife. Für die Ingenieure gibt es diese nicht. Es gibt die Leistungsmodelle 2014 (LM2014) für Ingenieurbüros, ArchitektInnen und ZiviltechnikerInnen, die seit mehr als einem Jahr als Maßstab für Kontrolle und Prüfung von Planungsleistungen zur Berechnung des Honorars gelten. Diese werden jedoch, weil nicht gesetzlich verpflichtend, nur fallweise angewandt.


Gerade bei öffentlichen Aufträgen sollte sie aber verbindlich gemacht werden, weil es mitunter zu unnötigen Preiswettbewerben kommt, die dem sog. Dumping Tür und Tor öffnen. Diese unwürdige Situation ist für niemanden nützlich. Weder für den Auftraggeber, weil die Leistungen oft nur minimalistisch und in schlechter Qualität erbracht werden können, noch für den Auftragnehmer, der zwar beschäftigt ist, aber kaum einen Gewinn erwirtschaften kann, und schon gar nicht für die Mitbewerber, die so um existenziell wichtige Aufträge kommen.


Ein „Branchen Bericht“ der Bank Austria bestätigt diesen Trend, dass sich trotz guter Konjunktur „der Konkurrenzdruck erhöht“ und immer mehr Anbieter „um immer kleinere Honorare konkurrieren“. Die österreichische Judikatur und nunmehr aktuelles EU-Recht, die bindende Honorarordnungen von Interessensvertretungen verbietet, kann also schlicht als kontraproduktiv bezeichnet werden.


Sehr wohl existiert in Deutschland nach wie vor eine gesetzliche „Honorarordnung für Architekten und Ingenieure“ (HOAI), die von Experten-Facharbeitsgruppen „unter Berücksichtigung der Entwicklung der Baupreise und der Personal- und Sachkosten in Deutschland, dem sich ergebenden Mehr- und Minderaufwand aus den Leistungsbildern sowie Rationalisierungseffekten aufgrund des Einsatzes moderner Techniken erstellt“ wurde. In dieser ist auch „nach wie vor eine freie Vereinbarung innerhalb des Korridors zwischen Mindest- und Höchstsätzen möglich“. „Erfolgt keine entsprechende Vereinbarung, wird unwiderleglich vermutet, dass die Mindestsätze vereinbart sind.“


In der auch bei den österreichischen Architekten angewandten „Honorarordnung“ LM.VM 2014 sind sogar die Prozentsätze der Leistungen vom Vorentwurf bis zur Bauaufsicht geregelt, wobei die „künstlerische Leistung“ (sic!) mit nur 5 Prozent der Baukosten, die als Honorargrundlage gelten, angegeben ist. Daraus zu schließen, dass kreative Leistungen nur wenig Wert haben, ginge etwas zu weit, liegt aber nahe. Aber auch bei den ArchitektInnen sind Schlupflöcher integriert, etwa jenes Recht, dass „die freie Vereinbarung höherer Honorare unberührt bleibt“, insbesondere „für Leistungen von hohem schöpferischen
Wert, Leistungen unter Einsatz eines außergewöhnlichen Maßes an Erfahrungen“, wobei Letztere zu beurteilen fast wie ein „Promifaktor“ bestimmter ArchitektInnen für öffentliche Aufträge wirkt.


Selbstverständlich ist es gerade wegen der so unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche der Ingenieurbüros schwer, eine einheitliche Richtlinie zu formulieren, besonders dann, wenn die kreative Leistung nur schwer zu quantifizieren ist, aber genau deshalb und auch um einen ruinösen und verantwortungslosen Wettbewerb zu verhindern, besteht die Forderung für einen gesetzlich bindenden Honorarkorridor nach deutschem Vorbild.


Lukas Linemayr