18. Juni 2019

Wozu braucht man ein geotechnisches Gutachten (Bodengutachten)?

Auf dem Weg zum Eigenheim sollte jeder Schritt von einer fachkundigen Person geplant, gut durchdacht und begleitet werden. Dies geschieht auch in den meisten Fällen, doch leider wird dabei einer der wichtigsten Bestandteile für ein erfolgreiches Wohnprojekt sehr oft vergessen oder als unwichtig erachtet– „der Boden“. Welliges, unregelmäßiges Gelände samt schiefer Bäume sind bereits augenscheinlich ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Boden eine geringe Scherfestigkeit aufweist und vermutlich viel Wasser führt. Leider haben wir keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Bodens und dieser hat leider auch kein CE-Kennzeichen wie andere Baustoffe. 

Hier ist auf den Begriff „Baugrundrisiko“ zu verweisen. Rechtlich gesehen ist der Baugrund ein Baustoff, welcher vom Bauherrn zur Verfügung gestellt wird, somit liegt die Tauglichkeit dieses Baustoffes grundsätzlich auch beim Bauherrn. Mehrkosten, welche während der Bauphase aufgrund eines untauglichen Baugrundes entstehen, sind also vom Bauherrn zu tragen. Zwar unterliegt der beauftragte Bauunternehmer einer Warnpflicht, falls untauglicher Baugrund angetroffen wird, jedoch nur, wenn dieser offensichtlich erkennbar sein müsste. Wird ein schlechter Baugrund auch vom Bauunternehmer nicht erkannt, sind die Konsequenzen nicht nur Folgeschäden am Gebäude, sondern oft auch langwierige und kostenintensive rechtliche Folgen, wenn es um die Schuldfrage geht. (Hätte der Bauplaner oder die Firma im Vorfeld auf die Notwendigkeit einer normgemäßen Baugrunderkundung hinweisen müssen? Warum hat niemand im Vorfeld geprüft, ob das Grundstück in einer Gefahrenzone liegt? u.v.m.). Um Überraschungen während der Bauphase oder sogar einen Schadensfall bestmöglich zu vermeiden, ist zu einer Baugrunderkundung schon in der Planungsphase unbedingt zu raten. So schreibt es im Übrigen auch die Normung in Österreich bzw. in ganz Europa vor (Eurocode 7).

Um Schäden aufgrund von Setzungen bzw. Verformungen zu vermeiden, ist es unerlässlich zu wissen, worauf "gegründet" wird. Schäden, als Folge von schlechten Bodeneigenschaften, im Nachhinein zu beheben, ist nicht nur technisch schwierig, sondern auch eine überaus hohe finanzielle Belastung. Mit einer Baugrunderkundung durch einen erfahrenen Geotechniker und mit diversen Laborversuchen ist es möglich, die mechanischen Eigenschaften sowie den Strukturaufbau des Bodenmaterials näher zu bestimmen und rechtzeitig vor dem Bau auf die gewonnenen Informationen zu reagieren.

Auf Basis dieser Erkundungen kann im Zuge der Erstellung eines geotechnischen Gutachtens das Gründungskonzept für das geplante Bauwerk optimal auf die vorherrschenden Verhältnisse abgestimmt werden, um das Risiko späterer Schäden minimieren zu können.

Der Umfang bzw. welche Tätigkeiten vor Ort erbracht werden (Schurfgruben, Sondierungsleistungen und Laborversuche), hängt von der künftigen Bebauung, der vorher eruierten Geologie, der Erfahrung des Büros in diesem Bereich/Ort sowie den öffentlich zugänglichen Informationen (geogenes Risiko, Grundwasserverhältnisse, Hanglagen etc.) ab. Die Anzahl, Art und Tiefe der Bodenaufschlüsse sollten stets gemäß den gültigen Normen erfolgen, um ausreichend Kenntnis über die Untergrundverhältnisse zu erhalten. Boden kann nicht als ein homogenes Medium betrachtet werden. Änderung der Mächtigkeit von Bodenschichten, das Auftreten anderer Bodenarten in Form von Linsen oder Schichten kann schon innerhalb weniger Meter passieren. Diese Änderungen der Untergrundverhältnisse bringt auch eine Änderung der mechanischen Eigenschaften des Untergrundes mit sich. Eine der wichtigsten Regeln einer Gründung sieht vor, dass sichergestellt werden muss, dass auf Schichten gleicher Steifigkeit bzw. Lagerung gegründet wird, um ein gleichmäßiges Last-Setzungsverhalten erreichen zu können. Nicht selten passiert es aber, dass die Gründung auf unterschiedlichen Böden mit verschiedenen mechanischen Eigenschaften erfolgt. Die dadurch entstehenden Setzungsdifferenzen führen dann sehr oft zu Schäden in Form von Rissen in Mauerwerk und/oder Fundament.  Ein geotechnisches Gutachten bringt neben einer professionellen Beurteilung des Untergrundes auch den Vorteil, dass auch weitere Risiken im Zuge der Erstellung beurteilt werden. Unter anderem werden auch die Grundwasserverhältnisse, die Gefährdung durch Hangwasser oder Gefahrenzonen der Wildbach- und Lawinenverbauung ermittelt. So können schon in der Planungsphase dem Bauherrn, der bauausführenden Firma Unterlagen/Empfehlungen zur Verfügung gestellt werden, worauf zu achten ist und wie man den speziellen Untergrundverhältnissen begegnen kann. Des Weiteren kann ein geotechnisches Gutachten schon vor Kauf eines Grundstückes eine Entscheidungshilfe und Basis für Preisverhandlungen sein. Oft kann der Erwerb eines Baugrundes ohne Wissen über die vorherrschenden Untergrundverhältnisse zu überraschenden Mehrkosten aufgrund notwendiger Bodenverbesserungen, Tiefgründung oder aufwendige Hangsicherungsmaßnahmen führen.

Unter Betrachtung der generellen Baukosten für Wohnhäuser stehen die Kosten für ein geotechnisches Bodengutachten nur mit wenigen Prozent/Promille dagegen. Daher ist es eigentlich unerlässlich, ein geotechnisches Bodengutachten erstellen zu lassen. Man erhält die Absicherung eines erfahrenen Geotechnikers, wie der Boden beschaffen und aufgebaut ist sowie eine Empfehlung zur sichersten und wirtschaftlichsten Gründung.


Anton Zaussinger