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27.07.2023

"Vergabeverfahren müssen vereinfacht werden"

 Welche Gründe sehen Sie für schleppende Abwicklung von Vergabeverfahren?

Hannes Schwinger: Dies liegt zumeist an der Art der Vergabe - Direktvergabe, Vergaben mit öffentlicher Bekanntmachung oder öffentliche Vergaben. Je höher der Auftragswert unter Berücksichtigung des Auftraggebers, umso länger können sich Vergabeverfahren hinziehen. Es sind zudem bei Vergaben im Oberschwellenbereich um einiges mehr Formalkriterien zu berücksichtigen als bei einer einfachen Direktvergabe.

Gibt es bestimmte Herausforderungen oder Hindernisse, mit denen Ingenieurbüros konfrontiert sind?

In Ausschreibungstexten, welche die Grundlage für die Vergaben sind, finden sich oftmals falsche Inhalte oder Ausschlüsse, welche im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht zulässig sind.

Können Sie gleich ein Negativbeispiel nennen, bei dem ein schleppendes Verfahren negative Auswirkungen auf das Projekt hatte, sowohl für das Ingenieurbüro als auch für den Auftraggeber?

Unlängst gab es eine Ausschreibung einer technischen Dienstleistung in der Gebäudetechnik in Kärnten, welche von einem Ziviltechniker erstellt wurde, in der ausschließlich Ziviltechniker als Teilnehmer:innen zugelassen waren. Dies führt zu einer Einschränkung des Anbieterkreises und auch die Projektumsetzungsmöglichkeiten werden hier deutlich eingeschränkt. Wenn man nur aus einem kleinen Kreis auswählen kann, erhält man zumeist weniger gute Lösungen oder Projekte.

Wie beeinflusst eine verzögerte Vergabe von Projekten die Arbeit und das Geschäft von Ingenieurbüros? Welche Auswirkungen kann dies auf die Gesamtwirtschaft haben?

Verzögerungen in Vergaben bedeuten einerseits für das betroffene Ingenieurbüro eine wirtschaftliche Verpflichtung, der man unter Umständen nur schwer nachkommen kann - Stichwort Ressourcenplanung. Am Beispiel vom Semmering-Basistunnel kann man nachvollziehen, wie sehr Verzögerungen im Genehmigungs- und Vergabeverfahren eine spürbare Auswirkung auf die gesamte Gesellschaft haben. Der Tunnel wird einfach um Jahre später fertiggestellt. Dies bedeutet für alle Fahrgäste im betroffenen Zeitraum eine unnötige Fahrzeitverlängerung und einen deutlichen wirtschaftlichen Nachteil für die gesamte österreichische Wirtschaft.

Welche möglichen Lösungsansätze sehen Sie, um die Abwicklung von Vergabeverfahren zu beschleunigen und effizienter zu gestalten?

Vergabeverfahren müssen in deren Abwicklung einfacher und im Sinne der Gesamtwirtschaft bedeutender eingestuft bzw. gewertet werden. Es muss einfacher werden, eine Vergabe oder Genehmigung für ein Projekt zu erhalten, wenn wirtschaftliche Ziele nachgewiesen werden, welche dem Wirtschaftsstandort Österreich dienlich sind.

Inwieweit können die Digitalisierung und der Einsatz moderner Technologien dazu beitragen, den Vergabeprozess zu optimieren und die Abwicklung zu beschleunigen?

Vergabeplattformen schaffen hier seit Jahren Transparenz in die vormals undurchschaubaren Auftragsvergaben. Einheitliche Vergabeplattformen und zentrale Ausschreibungen würden hier noch zusätzliche Komplementärfaktoren schaffen.

Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Auftraggebern und den Ingenieurbüros bei der Verbesserung der Vergabeverfahren? Wie kann diese Zusammenarbeit gestärkt werden?

Derzeit spielt dies eine eher untergeordnete Rolle, da die Big Player wie ÖBB, ASFINAG oder A1 am Vergabemarkt eher untereinander Abstimmungen durchführen und gemeinsame Projekte umsetzen. Gemeinsame Jour-Fixes und gezielte Projekte, in denen Problemstellungen analysiert und aufgearbeitet werden, würden eine Verbesserung in diesen Bereichen schaffen.

Gibt es aktuelle rechtliche oder politische Entwicklungen, die darauf abzielen, die Geschwindigkeit und Effizienz von Vergabeverfahren zu verbessern? Falls ja, wie bewerten Sie diese Initiativen?

In Kärnten wurde seitens des Präsidenten der Wirtschaftskammer, Jürgen Mandl, eine Initiative gestartet, die darauf abzielt, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und so den Wirtschaftsstandort Kärnten attraktiver zu machen. Auch wir von der Fachgruppe der Ingenieurbüros knüpfen hier an und arbeiten selbst daran, einfache und vor allem faire Genehmigungsverfahren sicherzustellen.

Abschließend, welche Maßnahmen können Branchenverbände und Regierungsbehörden ergreifen, um die Abwicklung von Vergabeverfahren insgesamt zu verbessern und den Prozess für alle Beteiligten zu optimieren?

Wirtschaftliche Interessen, die von Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Kärnten oder für Österreich sind, müssen eine Stelle erhalten, welche deren rasche Umsetzung sicherstellt oder diese zumindest beschleunigt. Es muss Schluss sein mit Politikern oder Amtssachverständigen, die Vergaben oder Genehmigungsverfahren behindern oder verzögern. Es muss auch ein Teil der Aufgabe des Ombudsmanns werden, in Genehmigungsverfahren regulierend einzugreifen.

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